
Kopfsteinpflaster, Lebzelter und Fachwerk
Jetzt ist Morosinottos Greta Grimaldi erschienen, als Erstausgabe auf Deutsch beim Thienemann Verlag. Es ist die Geschichte des rätselhaften Kaspar Hauser. Den Tipp für den ziemlich deutschen Stoff bekam Morosinotto von Programmleiterin Katharina Ebinger. Aber es ist vorrangig nicht Hausers Geschichte, sie ist nur das dramaturgische Vehikel für ein Port-rät einer modernen jungen Frau in dem von den rückwärtsgewandten Karlsbader Beschlüssen und von revolutionären Strömungen des Vormärz beunruhigten Deutschen Staatenbund. Wir sprechen vom Jahr 1829. Rund um das bis heute anhaltende Mysterium des Kaspar Hauser, der von den einen als evolutionäres Experiment verehrt, von den andren für einen Schwindler gehalten wird, gestaltet Morosinotto eine Art Kammerspiel mit dem Gelehrten Grimaldi und seiner ganz im Sinn der Aufklärung neugierigen selbstständigen Tochter. Dazu das etwas meistersingerhafte Nürnberger Großbürgertum, das durch europäische Zuzüge von Gelehrten, Menschenfreunden, Kulturpessimisten und ganz einfach Experimentierfreudigen sich einer völlig neuen ethischen Situation gegenübersieht. Hauser selbst bleibt eine irisierende Figur, mehr interessiert sich der Autor für das Gefühlsleben Gretas und anderer junger Menschen, die, aus unterschiedlichen Schichten stammend, in Beziehung zueinander treten. Christine Paxmann